Interview mit Leonie Pankratz:

„Wir können uns hier glücklich schätzen“

Seit dieser Saison tritt Leonie Pankratz in die Fußstapfen von Stephanie Breitner und führt die TSG als Spielführerin aufs Feld. Doch Leonie hat nicht nur als Fußballerin den nächsten Schritt gemacht. In einem Praktikum bei Anpfiff ins Leben stellte die Linksverteidigerin schnell ihre anderen Fähigkeiten unter Beweis und wurde inzwischen als feste Mitarbeiterin übernommen.

Leonie, du hast schon in der halben Welt gespielt. Wenn Du deine bisherigen Erfahrungen in Frankfurt, Hoffenheim, Levante, Boavista Porto und Vestmannaeyjar miteinander vergleichst, welches Fazit ziehst du da?

In erster Linie, dass bei der TSG der Frauenfußball eine hohe Wertschätzung erfährt. Das war in Portugal nicht so der Fall, da haben wir immer erst um 21.30 Uhr trainiert, wenn alle männlichen Teams fertig waren. Dann durften wir Frauen auf den Platz. Die schulische Komponente war in keinem anderen Verein so vorhanden, in Frankfurt teilweise, allerdings nicht so ausgebaut wie hier. Fußballerisch war es ganz interessant, da jedes einzelne Land einen ganz unterschiedlichen Fußball pflegt. In Island ist es unheimlich körperbetont, ähnlich wie in den USA, so im Stile „der Ball wird nach vorne geschlagen, lauf‘ hinterher“. In Portugal ist es sehr technisch, da hatten wir super Spielerinnen. Vielleicht kommt dort aber wiederum die Taktik zu kurz. Ich würde sagen, dass Spanien dem taktischen Niveau in Deutschland am ähnlichsten ist. Im Gesamtpaket aus Taktik, Technik und Athletik ist Deutschland bestimmt am weitesten fortgeschritten.

Was hast du persönlich mitgenommen aus den so verschiedentlichen Auslandserfahrungen?

Ich habe gelernt, dass es so viele verschiedene Mentalitäten gibt, dass es nicht die richtige Mentalität oder Kultur gibt, sondern einfach unterschiedliche. Man lernt sich dann anzupassen, ohne die eigene Mentalität zu vergessen. Sehr schön war, dass man viele nette Menschen kennengelernt hat, mit denen man heute noch Kontakt hat. Dann wiederum hat man über weitere Ecken Leute gekannt und gemerkt, dass die Welt vielleicht gar nicht so groß ist, zumindest im Fußball. Und ganz persönlich: Ich ging mit 19 zum ersten Mal ins Ausland. Man lernt einfach dazu, man entwickelt sich weiter, man wird selbständiger. Das sind wichtige Aspekte, die ein Auslandsaufenthalt mit sich bringt.

Was war dein Highlight bei diesen Stationen?

Schwierig zu sagen. In Portugal war es sportlich am besten. Da sind wir 2013 Pokalsieger geworden. Ich war vorher noch nie in einem Pokalfinale. Das ist ein Erlebnis, das man nicht mehr vergisst. In Spanien war es das ganze Lebensgefühl. Ich war ein Jahr lang dort, so lange wie in keinem anderen Land. Da habe ich diesen Lebensstil verinnerlicht und ihn gelebt. In Island war es das Land an sich, die Landschaften sind einfach bombastisch. Da kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus.

Inzwischen bist du im fest in der Metropolregion Rhein-Neckar angekommen. Du bist Spielführerin der TSG und arbeitest seit kurzem für Anpfiff ins Leben. Wie kam‘s dazu?

Da ich im Frauenförderzentrum St. Leon-Rot angesiedelt bin, habe ich dort die berufliche Förderung in Anspruch genommen und mit Jugendkoordinatorin Lena Forscht verschiedene Möglichkeit durchdacht. Dann wurde bei Anpfiff in der Abteilung „Strategische Projekte“ von Simone Born jemand gesucht. Ich war bei einem Gespräch und es hat ganz gut gepasst. So bin ich hier gelandet.

Dass du die richtige Wahl warst, hat sich inzwischen bestätigt. Konntest Du dein Wissen aus dem Studium und deine Erfahrung als aktive Fußballerin hier mit einbringen?

Ja, der Schnittpunkt zwischen Fußball, der mich natürlich sehr interessiert und dem Fachlichen, das ich durch das Studium gelernt habe, passt sehr gut. Es ist schön, theoretische Dinge in der Praxis umzusetzen. Man möchte ja vom Gelernten Gebrauch machen.

Welche Erfahrungen hast du schon vorher mit Anpfiff ins Leben gemacht?

Als ich 2010 nach Hoffenheim kam, hatten ich mit den Verantwortlichen ein Gespräch darüber, was mich in Bezug auf das Studium interessieren würde. Während des Studiums (Anm. d. R. Übersetzungswissenschaft Spanisch, Portugiesisch und Deutsch in Heidelberg und Master an der FernUni Hagen) war ich dann relativ selbstständig. In meinem persönlichen Fall war es dann wieder wichtig, als es um die Praktikumssuche ging. Ich weiß, dass eine Vielzahl meiner Mannschaftskolleginnen immer wieder auf unsere Jugendkoordinatorinnen zukommen, sei es bei Praktika, Berufsorientierung oder Schule.

Das Förderungsangebot war also durchaus gefragt in deiner Mannschaft?

Ja, sehr. Bei mir war es dann so, dass ich während meines Fernstudiums noch einen Nebenjob machen wollte, also habe ich zwei Jahre bei Anpfiff in Ludwigshafen als Nachhilfelehrerin gejobbt. Ich konnte das Anpfiff-Netzwerk also bereits kennenlernen und nutzen.

Inwieweit konnten dir die Anpfiff-Strukturen den Weg in die Allianz Frauen-Bundesliga geebnet.

Sie hatten einen großen Einfluss auf meine Karriere. Gerade im Frauenfußball profitieren wir sehr von den professionellen Strukturen. So etwas haben nur wenige Mannschaften in der 1. Liga, vielleicht zwei bis drei Spitzenteams noch. Da können wir uns glücklich schätzen, ein Jugendförderzentrum und solche Trainingsplätze zu haben. Als ich vor acht Jahren nach Hoffenheim ging, gab es auch ein Angebot aus der 1. Liga. Hoffenheim war damals noch Zweitligist. Aber das Trainingszentrum und das ganze Gebäude haben mich total überzeugt.

Training, Spiele, Studium, Praktikum, Arbeit. Wie bewältigst du diese Belastung?

Es ist natürlich immer ein straffer Zeitplan, insgesamt habe ich es aber gut meistern können. Meiner Meinung nach lag das auch daran, dass wir im Frauenfußball gewohnt sind, neben dem Spielen noch etwas Anderes machen zu müssen. Eine Mannschaftskollegin arbeitet sogar Vollzeit, das ist ein anderer Aufwand, als ich ihn habe. Es hängt viel davon ab: Wie organisiere ich mich? Wie teile ich meine Zeit ein? Bei Anpfiff ins Leben haben wir aber auch das Glück, dass immer jemand da ist, der einen unterstützt. Von daher glaube ich schon, dass das vor allem im Frauenfußball – im Männerfußball sicher auch – ein außerordentliches Angebot ist.